Zeichnungen

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Zeichnen ist nach wie vor eine faszinierende Form der Weltaneignung. Die Zeichnung, als Ergebnis eines konzentrierten Zusammenspiels von Auge und Hand, fordert zum Vergleich zwischen Naturobjekt und Abbild, zwischen Körper und Flächenbild, zwischen dem Vorgefundenen und dem Gemachten.

Den Zeichnungen von Ekkehard Welkens steht man zunächst vor allem staunend gegenüber. Mit den bescheidensten Mitteln, mit Bleistift und Papier, gelingt ihm nichts Geringeres als ein Wunder. Die löcherige Leichtigkeit des Basaltsteins, die raue Kruste eines Geweihs, die Zerbrechlichkeit eines trockenen Blattes, das Gefieder eines toten Bussards – alles das ist in seinen Zeichnungen in äußerster Präsenz gegenwärtig. Jede Form der Stofflichkeit, jede räumliche Differenz, jede Bruchstelle, auch jedes Anzeichen des beginnenden Verfalls, wird von Welkens zeichnerisch anverwandelt. Man beginnt zu ahnen, was für ein intensiver Prozess des Hinschauens für ihn notwendige Vorraussetzung ist, um überhaupt mit dem Zeichnen anfangen zu können.

In seinem stillen, fast kargen Atelier in der Eifel muss er seine Fundstücke, die Wurzel, den Weinstock oder den Hasen lange betrachtend abwägen, um zu erfassen, was er vor sich hat. Schließlich gilt es die Position und damit die Perspektive zu finden, in denen der Gegenstand möglichst viel von sich offenbart und dennoch seine Würde und sein Geheimnis behält. „Wenn ich eine Sache beginne, muss ich eine intuitive Vorstellung von der Intensität des Werkes haben“, beschreibt er diesen Moment der Entscheidung in einem Gespräch. Die Zeichnungen entstehen dann, ohne vorherige Studien oder Vorzeichnungen, in einem enorm zeitaufwändigen und deshalb ungemein riskanten Prozess – denn einmal begonnen, gibt es kaum noch Korrekturmöglichkeiten. Mehrere Tage oder Wochen, manchmal sogar Monate arbeitet Welkens an einer Zeichnung, die das Naturobjekt immer in der Originalgröße und immer auf einem weißen Fond wiedergibt. Ein derart mühsames und langwieriges wie handwerklich höchst anspruchsvolles Verfahren steht in einem geradezu bizarren Verhältnis zu den heute zur Verfügung stehen Bildreproduktionstechniken. Die Vorstellung, dass ein Künstler mit größter Ausdauer Millimeter für Millimeter an der Erzeugung feinster Grauwertabstufungen arbeitet, während sich ein Abbild desselben Objektes mit einem Fotoapparat in Sekunden herstellen ließe, wirkt geradezu anachronistisch.

Zeit ist ein rar gewordenes Gut und darum besonders wertvoll. Zeit wird effizient verwaltet, engmaschig gemanagt, zielgenau eingesetzt. Keine Zeit zu haben bedeutet, in einer lückenlosen Kette vorbestimmter Tätigkeiten gebunden zu sein, ohne Spielraum oder Variationsmöglichkeiten. Ekkehard Welkens muss für seine künstlerischen Ergebnisse aus diesem Zeitverständnis aussteigen. Zeit ist für ihn der entscheidende Tauschwert, den er wegschenken muss, um sich der Natur sehend und zeichnend zuwenden zu können. Nur ohne zeitliche Limitierung kann sich dieser spannungsvolle Annäherungs-, Vereinnahmungs- und letztlich Erkenntnisprozess vollziehen, der den Blättern ihre kraftvolle Präsenz und lebendige Dynamik verleiht. Sie werden damit selbst zum Zeitspeicher und entreißen dem stetigen Verwandlungsvorgang des Entstehens, Werdens, Fließens und Vergehens so etwas wie einen Zipfel Unendlichkeit. Aus dem Strom der Zeit, aus aller Welt heraus, rettet sich etwas in seine Zeichnungen hinein. „Das ist ein unwahrscheinlicher Moment, wenn das Blatt beendet ist, weil ich weiß, das ist das absolut Beste was ich machen konnte, in dieser Zeit“, beschreibt Welkens den Punkt an dem ein Werk für ihn vollendet ist.

Der Betrachter darf im nachvollziehenden Schauen Anteil nehmen. Auch dafür gilt es, deutlich mehr Zeit einzusetzen als dies im sonstigen Bilderkonsum üblich ist. Dann aber macht man auf jedem Quadratmillimeter Entdeckungen und die Natur enthüllt sich in einer vielleicht zuvor noch nicht gesehenen Großartigkeit. Selbst im Beliebigen und Unscheinbaren. Das eine, das gezeichnete Blatt wird zum Archetyp aller Blätter am Baum vor dem Fenster. „De visione Dei“ – „Von der Schau Gottes“ hieß, eine Schrift von Nikolaus von Kues aus dem Jahre 1453 zitierend, eine Ausstellung mit Werken von Ekkehard Welkens. Die Teilhabe am göttlichen Schöpfungsprozess, die sich selbst im Kleinsten offenbart, wird von Cusanus in seinem Text als erkennendes Sehen beschrieben, vor den Zeichnungen von Welkens wird sie erlebbar.

Das Holz eines Astes, ein toter Maulwurf, drei Ansichten einer vertrockneten Kröte… Seltsame Motive für einen Zeichner aus dem 21 Jahrhundert!

Zufällig gefundene Gegenstände, von keinem beachtet, füllen nahezu ausschließlich in realer Größe als feinste Bleistiftzeichnungen die Bildflächen. Herausgelöst aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang, sich selbst genug in ihrer Isolation, wirken sie in fast archaischer Weise monumental, vergleichbar mit Figuren der prähistorischen Höhlenzeichnungen, die gleichermaßen selbst das Bild sind in einem unbestimmten, grenzenlosen Ewigkeitsraum.

Feinste Liniengespinste, zarteste Graunuancierungen, exakt gesetzte Schraffuren, die zu kleinen und kleinsten Flächen sich verdichten – das Auge vermag kaum die vom Bleistift durchfühlten Erhebungen und Vertiefungen der Oberflächenstrukturen zu verfolgen. Es bedeutet eine geradezu ungeheure visuelle Anstrengung, die zunächst verwirrenden und dann zunehmend faszinierenden Details nachzuspüren. Fern jeder Expressivität einer persönlichen Handschrift, in geradezu gieriger Genauigkeit, übersetzt Welkens das, was er sieht in seine Zeichensprache. Mit einem liebevollen Blick auf die Dinge, fast hypnotischer Direktheit und dem Bleistift als Präzisionsinstrument gewinnt er nach und nach seine Erkenntnis der Dinge, an der er den Betrachter teilhaben läßt.

Die Zeichnungen von Ekkehard Welkens sind gezeichnete Dichtung, Poesie der Exaktheit. Sie zu verstehen erfordert vom Betrachter Zeit, so wie es Zeit, viel Zeit, Geduld und Disziplin brauchte sie zu erstellen. So wie das Auge allmählich die Zeichnung ertastet, so hat der Zeichner sich mit dem Stift langsam durch die Oberfläche in den Gegenstand hineingegraben. Es wiederholt sich für den Betrachter das Phänomen, das der Schöpfer der Zeichnungen an sich selbst erfahren hat: Die Objekte beginnen zu leben, sie werden zu Subjekten, die in ihrer Belanglosigkeit einen geradezu Ehrfurcht heischenden inneren Reichtum aufzeigen. In jedem Detail scheint nicht ein Stück des Gegenstandes abgebildet, sondern seine Lebensspur nachgezeichnet. Es tut sich ein Mikrokosmos des Werdens und Vergehens auf als Abbild der großen göttlichen Schöpfung.

In diesem Sinne wird das „memento mori“ zu einem „reviviscere memento“.

Seine Art zu arbeiten ist ungewöhnlich intensiv. Er lebt auf dem Land in enger Verbindung zur Natur und nimmt Dinge wahr, die in unserer schnelllebigen Welt leicht untergehen. Leben und Werk bedeuten ihm eine Einheit und so bringt er sich selbst ganz in seine Zeichnungen ein.

Die ausgewählten Sujets stammen immer aus der Natur, da für ihn das vom Menschen Gemachte „a priori zum Sterben geboren ist“ und keine Möglichkeit einer weiteren individuellen Formung in sich trägt.

Mit hohem bis höchstem technischen und zeitlichem Aufwand stellt Ekkehard Welkens seine Zeichnungen her. Dabei liegt der technische Aufwand nicht in komplizierten Technologien, wie man sie aus Arbeiten im Bereich der neuen Medien kennt. Er liegt vielmehr in der sehr aufwendigen und langwierigen Art, in der er seine Zeichnungen aufbaut. Mit Stift oder Pinsel, in Blei oder Sepia setzt er seine Fundstücke der Natur auf das Papier. Altmeisterlich im positivsten Sinne sind diese Arbeiten, die Strichlage für Strichlage, Ebene für Ebene alle Feinheiten des Vorbildes in die Zweidimensionalität des Zeichenpapieres übersetzen. Immer wird der Gegenstand in originaler Größe und für sich allein stehend in die Mitte des neutralen Bildgrundes gesetzt. Auf einen Hintergrund oder schmückendes Beiwerk wird verzichtet. Doch wirkt er dabei nicht isoliert, vielmehr erscheint die Struktur des (teils farbigen) Papiers als der Fond, aus dem die Darstellung heraus auftaucht. Das Fundstück wird im Gegenteil hierdurch „geadelt“, bekommt einen besonderen Platz ohne störendes Beiwerk und erscheint porträthaft in seiner Einzigartigkeit.

Welkens stellt uns Relikte vor Augen, die sich in einer anderen Zeitzone befinden, er macht aufmerksam auf Zeitmaße, die uns im Alltäglichen verborgen bleiben, die außerhalb unserer eigenen Zeitmaße sind. Zeit arbeitet er (im Gegensatz zur Fotografie) durch die langwierigen Zeichenprozesse mit in die Arbeiten ein; Zeit und auch Energien, die sich auf den wahrnehmenden Betrachter übertragen. Welkens legt Blicke auf Strukturen frei, die wir wahrzunehmen verlernt haben. Betrachtet man die Objekte in ihrer Beschaffenheit, so öffnet der Zeichner einen Mikrokosmos, den es zu „ersehen“ gilt. Er spürt den Lebensspuren seiner Objekte nach, Lebensspuren, die meist über unser Zeitmaß hinausgehen. Er legt Eigenschaften frei, die das Objekt geprägt haben, eine Art Fingerabdruck, von dem was war. Jeder Feinheit, jeder noch so unerheblichen Struktur spürt er nach und arbeitet sie auf das Delikateste aus. Ein Zugriff auf sonst verstellte Einsichten wird hier ermöglicht. Ekkehard Welkens fordert den Betrachter und beschenkt ihn anschließend mit der Schönheit des Details.

Der Weg vom Sehen zum Begreifen ist manchmal kurz, so bei einem Verkehrsschild, manchmal schier unendlich lang, so wenn wir vor einem Wunder der Natur stehen oder auch einem der Kunst. Es bedarf der Fähigkeit des Staunens, um die Unerschöpflichkeit eines winzigen Ausschnitts aus der Fülle der uns umgebenden Erscheinungen wahrzunehmen.

Dieses Staunen erfordert ein Innehalten. Man muss sich Zeit nehmen, um das Sichtbare zu registrieren und man muss bereit sein, es auf sich wirken zu lassen, statt augenblicklich zu reagieren. Wer es tut entzieht sich dem Ansturm der Eindrücke, die den modernen Menschen zu überwältigen drohen und zu Hast und Flüchtigkeit im Sehen treiben undgewinnt dadurch eine eigentümliche Freiheit. Vor dem statischen Bild, in dem Zeit geronnen ist, wie in allem Gewachsenen und Gewordenem, kann sich der Betrachter aufhalten, so lange er will oder bis er es ausgeschöpft hat. Es bietet ihm Gelegenheit zur Besinnung zu kommen. In den Arbeiten von Ekkehard Welkens geht es nicht um die Mitteilung von gegenständlich oder formal Interessantem, sondern darum zu einer Weise des Sehens anzuleiten, bei der auch das unscheinbarste Erzeugnis der Natur als etwas Bestaunenswertes, ja Verehrungswürdiges wahrgenommen wird. Mit ihren Unregelmäßigkeiten begreift er diese Dinge als etwas Einzigartiges und nähert sie dadurch in ihrem Status dem Menschen an.

Die lang andauernde Betrachtung eines Bildes, um es in allen Einzelheiten zu erkennen, im Kunstbetrieb fast verpönt, ist in der Wissenschaft etwas Normales. Aber in diesem Bereich ist das Sehen stets auf ein Ziel gerichtet: Der Sehende möchte stets Herr der Situation sein. In der Kunst, und namentlich in der von Ekkehard Welkens, geht es um ein Empfangen, um ein Einwirkenlassen von Kräften, das zur Ausbildung von Menschlichkeit beiträgt. Sehen ist ein Sichöffnen für etwas, das auf uns zukommt. Der Zeichner will nicht provozieren, was mancher heute als Aufgabe der Kunst fordert, und doch provoziert er, weil er einen ungewöhnlichen Weg geht, bei dem er sein Mensch- und Künstlersein in ein Verhältnis zu scheinbar nichtigen Dingen setzt und auf Wirklichkeiten verweist, die sich nicht genießen lassen, dafür aber Orientierung verschaffen.

Ekkehard Welkens lebt in einem alten Bauernhaus in der Eifel. Dort wird er angeregt zu seinen Werken, durch die unmittelbare, fast ins Haus hineingreifende Natur.

Sie ist so nahe wie sonst nirgendwo in unserer hiesigen Welt und all‘ das läßt erkennen, dass in allem, mehr oder weniger deutlich ein Geheimnis schlummert. Der Künstler läßt sich davon berühren, und zwar gerade vom Unscheinbaren, wovon sonst niemand Notiz nähme. Von einem toten Tier, einem verwelkten Blatt oder einem einfachen Stück Holz. Für ihn sind diese Überreste nicht tot, sondern sie gehören ins „Reich des Lebens“. Man ist erinnert an den „Waldmenschen“ Joseph von Eichendorff, der dichtet: „Schläft ein Lied in allen Dingen, die da träumen fort und fort, und die Welt hebt an zu singen, triffst Du nur das Zauberwort.“

Dieses Mysterium, adelt auch das Unbedeutendste und versieht es mit einer dem bloßen und schnellen Auge unfassbaren Tiefe. So kann ich ein einfaches Blatt und einen belanglosen Stein aufheben und ich habe darin das ganze Mysterium der Erde, der Schöpfung Gottes.

Gestatten Sie mir als Geistlichen einen – wie Ihnen erscheinen mag – kühnen Vergleich: Gott hat sich, sein Wesen und sein Leben in die einfache Gestalt des Menschen Jesus Christus gegeben, der seinerseits sich in der Winzigkeit und dem Unbedeutendsein eines Stückchens Brot hinterlassen hat. Das größte Mysterium der Demut, des Kleinseins, worin das ganze Geheimnis seiner Nähe in Stille liegt. Dieses Gesetz, daß das Große sich im Kleinen birgt und verwirklicht, liegt den Beobachtungen zugrunde, die Ekkehard Welkens zu seinen Zeichnungen führen. Hier möge ein Gedanke hinzugefügt werden, der sich prima vista nicht jedem Betrachter erschließt: Diese einfachen Gebilde der Natur sind schön! Es ist nicht jene Schönheit, die wir an einem Gemälde der Renaissance bewundern und die jedem sofort ins Auge fällt, selbst wenn er nicht den Grund für solche Schönheit benennen kann. Die in den Werken von Ekkehard Welkens behutsam aufscheinende Schönheit ist gleichsam aus einer anderen Welt geliehen. Die mit feinsten Strichen ausgeführten Gliederungen lassen etwas aufscheinen von dem, was über den äußeren Tod hinaus als Grundstruktur dieser Geschöpfe bleibt, was zu ihren „Lebzeiten“ diese Gebilde ausgemacht, geprägt hat. Man könnte sagen: Die in diesen Werken dargestellte Schönheit ist gleichsam eine Philosophische:

Die Schönheit des Wesentlichen.

Respekt ist eines der Schlüsselwörter, die einem sofort einfallen, wenn man über Ekkehard Welkens und sein Werk spricht. Aber auch Tiefe und Aufmerksamkeit, Neugierde und Lebensfreude, Liebe und Empathie, Geduld und Perfektion.

Fast jeden Tag geht er mit dem Hund in den Wald und beobachtet aufmerksam das Leben der Natur. Er kennt die Stimmen der heimischen Vögel, die Pflanzen und Pilze. Sein unglaublich respektvoller Umgang mit der Natur hilft ihm, die einzigartige Schönheit eines auf dem Weg liegenden Astes zu erkennen, eines Tieres, dass sein Leben im Wald gelassen hat, oder einer vertrockneten Pflanze. Später erwacht diese Schönheit in seinen Zeichnungen verwandelt wieder.

Wenn Sie diese Zeichnungen sehen, nehmen Sie sich Zeit, gehen Sie in einen Dialog mit ihnen; und Sie werden sehen, dass der Hase geheimnisvoll lächelt, die Maus springt, und der Maulwurf sich einfach nur ausruht. Der schöne Bussard ist sogar im Todeskampf immer noch voll unglaublicher Würde. Die elegante Distel flirtet mit dem Wind. Die unzähligen kleinen Teile des Weinstocks oder des Efeus bewegen sich wie ein Ameisenhaufen. Die beiden Füchschen führen ein energisches Gespräch – und man merkt kaum, dass es nur zwei kleine Schädel sind.

Vertrauen Sie dem Künstler, lassen Sie sich in die zauberhafte Welt seiner Werke entführen, viele Geheimnisse werden sich offenbaren und Sie werden die leise Musik dieser Zeichnungen hören.

Und vielleicht werden Sie nach dem Anschauen dieser Zeichnungen sogar mehr Zeit in der Natur verbringen wollen, um diese Schönheit für sich zu entdecken.